Die geschossenen Fotos auf der Kamera müssen irgendwann auch zur Weiterverarbeitung auf den Rechner. Bislang nutzte ich dafür den RAW-Entwickler Adobe Lightroom, mit dem ich sehr ergonomisch und bequem aus den rohen Sensordaten meine Fotos entwickeln konnte. Die gute Bibliothekenverwaltung, die interne HDR-Funktion und der einzigartige Dynamikregler sind nach Jahren der Nutzung das Einzige geblieben, was an Positivem übrig geblieben ist.
Kaugummi Lightroom
Adobe hat sich zu lange auf seinem Erfolg ausgeruht und die Nöte seiner Anwender komplett links liegen gelassen. Die Software ist nämlich auch auf potenten Rechner extrem ressourcenhungrig und immer langsamer geworden. Mal eben 1.000 Fotos importieren und bearbeiten, vielleicht noch auf einem Server? Kann man machen, dann aber auch erstmal eine große Kaffeepause einlegen. Selbst das Bearbeiten mit Vorschaudateien unter Zuhilfenahme aller Tricks und Kniffe wurde so zäh, dass ich immer öfter nach Alternativen Ausschau hielt. Denn auch das Tethered-Shooting (Fotografieren via Daten-Kabel direkt von der Kamera in den Rechner) ist mit Lightroom eine Qual und nach jeder Auslösung kann man leicht übertrieben in den Keller ein Bier holen, bevor das Foto auf den Rechner plätscherte. Sofern es überhaupt funktionierte. Am meisten aber ärgerte mich der Bildlook. Er mutete (von Studiofotografie mal abgesehen), immer etwas unwirklich an. Oft künstlich und nicht so lebhaft. Einerseits sind es die äußerst empfindlichen Regler, die das Bild bei Überanspruchung eher verfälschen als optimieren. Andererseits sind es die internen Mechanismen, die irgendwie zu sehr auf »Vivid« ausgelegt sind. Für Landschaften und BlueHour-Shots optimal, für alles andere grenzwertig.
Capture One Pro spürbar schneller
Bei einem Fotoseminar konnte ich dann mal Capture One Pro in Aktion erleben, mit dem ich schon längere Zeit liebäugelte. Anfang des Jahres stellte ich meinen gesamten Workflow darauf um und empfehle jedem einen Blick zu riskieren, der sich nur ein bisschen ernsthaft mit Fotografie beschäftigt. Einer der größten Vorteile von Capture One Pro ist nämlich seine Anpassbarkeit. Jedes der vielzähligen Elemente kann dahin verfrachtet werden, wo es gebraucht wird. Falls man eine Funktion nicht benötigt, kann die auch komplett entfernt oder für jeden Bearbeitungsschritt in eigene Paletten gelegt werden. Das wirkt anfangs unübersichtlich, nach einer Runde bearbeiten ist man jedoch schnell darüber aber hinweg. Auch die Arbeit mit Sessions mutet anfangs umständlich an, ist aber in Sachen Organisation der Shootings sehr hilfreich. Wenn man die Instant-Erreichbarkeit aller Daten innerhalb der Lightroom-Bibliothek gewohnt war, ist das mit die größte Umstellung.
Die Vorschaudateien finden sich rechts in einem Raster angeordnet und können schnell durchgesehen werden. Ideal für große Bildschirme. Auch der Import und das Generieren der Vorschaubilder geht schnell und ohne den Rechner lahmzulegen; denn auch große Grafikkarten werden voll unterstützt. Wo bei Lightroom noch deutliche Verzögerungen zu spüren waren (Import, Bearbeiten, Export) und sich das Programm regelmäßig kleine Denkpausen genehmigte, kann ich mich bei Capture One unterbrechungsfrei aufs Bearbeiten konzentrieren. Bei großen Bildmengen (Reportageeinsatz ca. 500–2.000 Fotos) ist das am deutlichsten spürbar. Und auch das Tethering ist ein Wahnsinn. Wenige Sekundenbruchteile nach dem Auslösen erscheint das Foto auf dem Monitor. Letztlich spart mich das je Session locker 30-60 Minuten an Zeit.
Natürlicher Bildlook
Doch das wichtigste, was auch einiger meiner Stammkunden bemerkt haben: Zwischen den Fotos liegen Welten. Die Farbbearbeitung überfordert anfangs zwar, stellt sich aber als sehr intuitiv heraus und bleibt immer dezent, genauso wie die Schwarz-Weiß-Umwandlung. Letztlich hat das zur Folge, dass meine Fotos auf einen Schlag natürlicher wirken. Auch bei extremem Bearbeitungen wie dem Abdunkeln der Lichter, wird es nie so richtig unwirklich. Die Klarheit bleibt natürlich, Objektiventzerrungen sind nahezu unsichtbar und selbst die mitgelieferten Bildlooks einen Blick wert. Und wenn schon die Kunden den Unterschied bemerken, kann der Wechsel keine falsche Entscheidung gewesen sein.