Seit einer Woche kennt Hoyerswerda nur noch ein Thema: das Seenlandfestival. Und wer da alles kommt! Von glitzernden Blasen geblendet, wird dem Heilsbringer der Region gefolgt. Alle sind sie aus dem Häuschen. Die richtigen Fragen stellt niemand.
So sehr ich es Hoyerswerda und dem Lausitzer Seenland wünsche, dass dieses Event ein beachtlicher Erfolg wird, kneift es mich in der Magengegend, wenn ich mir so die Naivität der Veranstalter betrachte. Ein Gelingen setzt äußerste Organisation, Disziplin und ein nahezu perfektes Zusammenspiel zwischen Team und Personal voraus. Gerade bei einer Open-Air-Veranstaltung. Das Buchen von Top-Künstlern reicht da nicht.
Gut. Catering und Technik kann man einkaufen, aber allein schon Absperrung, Sicherheit, Anfahrt und vor allen Dingen die Koordinierung aller Beteiligten fordern eine logistische Meisterleistung. So ein Festival, wie es angekündigt ist, mit deutlich mehr erwarteten Gästen und weitaus prominenteren Persönlichkeiten, als bisher in der Lausitzhalle gastierten, ist damit doch offensichtlich mehrere Nummern zu groß für die Veranstalter. Die Seenlandmesse soll parallel auch noch stattfinden? Und nebenher noch die Lausitzhalle geleitet werden? Und das Stadtfest geplant? Ich frage mich, was haben die genommen?
Erinnern wir uns mal. Die 2012er Seenlandmesse war organisatorisch keine Meisterleistung, aus Marketingsicht noch viel weniger. Anstatt aus diesen Fehlern zu lernen, wird ein übersichtlicher Platz, versorgt mit allen Medien und für Besucher wie Aussteller fix zu erreichen, gegen einen Ort ausgetauscht, an dem sich der Hase ganz alleine gute Nacht sagt. Eine für die Region wichtige Messe wird zum Anhängsel eines Großevents.
Großevents. Die will das Seenlandfestival ja alle überbieten. Es wird von einer Kapazität für 40.000 Leute gesprochen. Pro Tag! Das Melt!-Festival hatte zum Vergleich 20.000 Besucher, Sonnemondsterne 35.000. An drei Tagen zusammen; und das bei einem deutlich gigantischerem Künstler-Bouquett aber ähnlichen Ticketpreisen. Womit wir bei der Gretchenfrage wären. Man munkelt von Kosten um die zwei Millionen Euro. Das ist durchaus realistisch. Doch wer bezahlt die ganze Sause, wenn nicht so viele Gäste wie erwartet kommen? Die Lausitzhalle? Wirklich? Die Halle, die 2012 ein Defizit von über 1,7 Millionen Euro hatte? Ein guter Witz. Freuen Sie sich schonmal auf die Strompreise für 2014.
Ein Festival muss wachsen. Kein Großevent hat von heute auf morgen zehntausende Besucher. Alle haben sie klein angefangen. Sehr klein. Darum möchte ich bei der herrschenden Euphorie um einen klaren Verstand bitten. Das Seenlandfestival übersteigt von den erwarteten Gästen klar die Dimensionen der genannten Events. Dazu kommt eine kaum erprobte Veranstaltungsfläche, auf der von null auf hundert zehntausende Gäste erwartet werden. Und das veranstaltet von einem Team, dessen Kopf bereits schon einmal in einer Stadthalle arbeitete, dort „Von heute auf morgen weg war“ (sic!*) und momentan per Stellenausschreibung nach Helfern und Projektleitern für ein bisher kaum beworbenes Event sucht. Vier Monate vor dem Termin. Ganz ehrlich? Da gibt es deutlich klapprigere Gäule, auf die ich setzen würde. Aber ich lasse mich gern überraschen; im besten Sinne.
* Kölner Stadtanzeiger Rhein-Sieg 5.8.2010 «Rhein-Sieg-Halle sucht neuen Chef»
Nachtrag1 , 5. März 2013
Ich bin überrascht. Gewaltig. So eine positive Resonanz auf meinen Artikel zum Seenlandfestival sowie jede Menge zustimmende Mails, Nachrichten und Anrufe hatte ich schon lange nicht mehr. Umso mehr freut es mich, dass die Sächsische Zeitung Hoyerswerdaer Tageblatt diesen Beitrag in den nächsten Tagen in ihrem Blatt veröffentlicht. Natürlich werde ich dafür den Text noch um einige Fakten ergänzt haben. (Habe ich getan und auch hier im Blog durch die aktuelle Version ersetzt).
Nachtrag 2, 9. März 2013
Heute erschien mein Statement im Hoyerswerdaer Tageblatt Sächsische Zeitung und dazu auch ein Kommentar vom leitenden Veranstalter des Seenlandfestivals. Der Vollständigkeit wegen, möchte ich den natürlich nicht vorenthalten.